Die NZZ zur Abwahl von Thomas Hardegger

Siege, Ochsentour, Scheitern im Auswahlverfahren (Regierungsrat), aussichtslose Kandidatur (Ständerat) – und jetzt eine Abwahl: Thomas Hardegger hat fast alles erlebt, was zu einem Politikerleben gehört. Dass die Wähler den Zürcher SPNationalrat nicht nochmals nach Bern schicken, kommt für ihn nicht völlig überraschend. Über den Sommer hin habe sich abgezeichnet, dass weibliche, junge, grüne und urbane Leute gefragt seien. Den Vorwurf, er habe sich zu wenig eingesetzt, macht er sich nicht. «Ich habe noch nie so einen intensiven Wahlkampf gemacht mit vielen Auftritten und Begegnungen», sagt Hardegger. Er habe viel Anerkennung erhalten, aber am Schluss sind es andere Faktoren, welche die entscheidenden Prozentpunkte Unterschied ausmachen. «Die Gewählten haben es besser gemacht. » Und dann sind da eben die Mega-Trends: grün, weiblich, jung. Als alter weisser Mann habe er einen Nachteil gehabt. Der 63-Jährige ist in guter Gesellschaft. Es traf weitere SPler mit demselben Profil: Martin Naef (Zürich), Corrado Pardini (Bern) und Philipp Hadorn (Solothurn). Für ihn sei die Abwahl kein persönliches Drama, für die Partei hingegen sei das Wahlresultat dramatisch, sagt Hardegger. In Zürich hat die SP zwei Sitze verloren. Ohne diese Verluste hätte er die Wahl geschafft. Die SP Kanton Zürich müsse aufpassen, sich nicht nur noch auf die Stadt zu konzentrieren, warnt der Rümlanger. Jetzt vertrete nur noch Priska Seiler-Graf den ländlichen Teil des Kantons. Im Nationalrat war Hardegger ein Hinterbänkler, der solide Arbeit leistete, aber selten auffiel. Parlamentarier lieben in der Regel diese Bezeichnung nicht, aber Hinterbänkler sind für einen Politbetrieb ebenso unerlässlich wie die Einflussreichen. Hardegger hat Mühe mit einem Politstil, der darin besteht, möglichst laut seine Forderungen herauszuschreien. «Wenn mein Stil nicht mehr dem Nachgefragten entspricht, dann ist meine Abwahl korrekt. » Das sage er nicht aus Frust. Der Trend, der mit Roland Reagan in den USA begonnen habe und sich nun mit Donald Trump und Boris Johnson weiterziehe, fasse auch in der Schweiz Fuss. Der Unterhaltungswert der Politik erhalte eine grösseres Gewicht. Hardegger fiel es schwer, neben seiner Arbeit als Nationalrat gleichzeitig noch dessen Vermarktung organisieren zu müssen. Hier würden auch die Medien eine wichtige Rolle spielen, die viel stärker als früher den Leistungsausweis von Politikern bewerteten. Dies sei mitunter willkürlich, weil die Journalisten oft nicht nachfragten und dadurch die Hintergründe nicht kennen würden. So sei etwa das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard auch dank seinem Einsatz endlich gegen die Verletzung der Nachtruhe am Flughafen Zürich vorgegangen. Er verweist auf die nationale Strategie gegen Spitalinfektionen, die er vor Jahren mit einem Postulat angeregt habe. Später habe der Bund genau dies gemacht, vielleicht auch aufgrund seines Vorstosses. «Diese Arbeit sollte eben auch in die Bewertungen von Politikern einfliessen », sagt Hardegger. Sein Start im Nationalrat vor acht Jahren erfolgte unter schwierigen Umständen. Er kam in die Verkehrskommission, wo ihm die bekannten und etablierten Politiker Evi Allemann und Roger Nordmann vor der Sonne standen. Doch nicht nur das: Seine Positionen waren bisweilen schwierig zu vermitteln. An Podien zum Fluglärm habe er jeweils zuerst erklären müssen, dass er nicht grundsätzlich gegen den Flughafen Zürich sei. Das Gleiche bei 5G: Hardegger bekämpft nicht den neuen Mobilfunkstandard, will aber zuwarten, bis Fragen zu möglichen Gesundheitsrisiken geklärt sind. Hardegger ist von seinem Profil eher der Typ Exekutivpolitiker. Als langjähriger Gemeindepräsident von Rümlang konnte er auf einer Ebene mitgestalten, die ihn in direkten Kontakt mit den Betroffenen und schnelle Resultate gebracht habe. Im Bundeshaus fand er schneller Zugang zu jenen Parlamentariern, die wie er auch auf Gemeindeebene aktiv waren. Mit Nationalräten wie Andreas Aebi (svp., Bern), Kurt Fluri (fdp., Solothurn) oder Stefan Müller- Altermatt (cvp., Solothurn) die mehr auf Kompromiss als auf Konfrontation aus seien, habe er sich schneller gefunden. Gut verstanden hat er sich auch mit SVP-Politiker Ueli Giezendanner, obwohl er manches Streitgespräch zur Verkehrspolitik mit ihm ausgefochten hat. «Das war vielleicht ein Nachteil, ich kam mit allen gut aus und hatte keine Feinde», meint Hardegger. Jetzt muss er vier Jahre früher als geplant vom Bundeshaus Abschied nehmen. Wenn ihm das Hickhack und die Selbstvermarktung zuwider waren, so hat er die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Leuten im Parlament geschätzt. Vermissen wird er auch die Bundesratswahlen. Das sei für ihn jedes Mal ein kleiner Höhepunkt gewesen. Jetzt wird der alt Nationalrat wieder mehr für sein kleines Familienunternehmen – die Hardegger Immobilien, die Häuser verwaltet, arbeiten. Ein politisches Comeback schliesst er aus.